Die Meisten von uns LESEN ihre Bücher immer noch. Wenn auch Sie das klassische Lese-Erlebnis einem Hörspiel vorziehen, dann können Sie hier genüsslich anlesen.
Don’t judge a book by its cover!
Wenn auch Sie ein Buch nicht nach seinem Umschlag beurteilen wollen, dann lesen Sie es doch einfach an, bevor Sie kaufen!
Für Diejenigen unter Ihnen, die lieber hören anstatt selbst zu lesen, gibt es Hörproben von ausgewählten Werken zum Probe-Hören.
Sie haben die Wahl!
Und last but not least möchte ich den zweiten Teil von „Das letzte Geheimnis“ verraten. Viele Leser haben mich gefragt, wie es weitergeht … (die 3 Punkte müssen bleiben; streichen: und ich denke, ich stell euch einfach mal Steff vor in der Leseprobe. Gleich anklicken!
Ein Page-Turner voller Überraschungen und tiefen Einblicken in die menschliche Seele. Ein Verwirrspiel der Gefühle. Spannung bis zur letzten Seite ist garantiert.
Jeder Mensch begegnet in seinem Leben vielen anderen Menschen. Männern und Frauen. Ich habe mich in meinem Büchlein auf „Männer“ spezialisiert. Und daraus entstanden ist ein sauer-süsses, lustig und gleichzeitig nachdenklich stimmendes Kaleidoskop mitten aus dem Leben.
Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen – zwischendurch mitgefühlt und auch schallend gelacht!
Für jeden Tag im Monat eine neue Geschichte. Nicht nur zum Fürchten – aber auch. Nicht nur zum Schmunzeln – aber auch. Vor allem nicht zum Nachahmen, auf gar keinen Fall!!! Aufgrund des grossen Erfolges von Band 1 hat sich die Autorin 13 neue Kurzgeschichten einfallen lassen, die genauso böse, lustig und sexy sind wie die ersten – vielleicht sogar noch mehr!
Die kleinen Geschichten rund um Leben und Tod regen zum Nachdenken an und sind menschlich, tief und einfühlsam. Der schwarze Humor ist nicht der von Roald Dahl, sondern der von Karin B. Jankowski. Eine gelungene Mischung aus deutschem, französischem und belgisch-luxemburgischen Flair. Regional und kosmopolitisch zugleich.
Ein spannender Roman mit tiefen Einblicken in die menschliche Seele und eine Welt, vor der viele Menschen Angst haben – die in Wirklichkeit aber keine andere ist als die, in der wir leben. Erst wenn wir das erkennen, können wir sie ändern
„Ich lese viel. Aber das ist ein ganz anderes Buch. Man spürt, dass hier nichts erfunden wurde. Was für ein Leseerlebnis.“
Margaret, die zusammen mit ihrer Katze Coco auf dem Anwesen der Autorin Urlaub macht und deren Mutter und Grossmutter bereits an Alzheimer litten, erfährt am eigenen Leib, was diese Krankheit bedeutet.
Karin B. Jankowski spricht in ihrem einfühlsamen Erfahrungsbericht über die Höhen und Tiefen, Ängste und Hoffnungen von Alzheimerpatienten und deren Angehörigen.
„Erfrischend ehrlich und sehr alltagsnah erfährt der Leser nützliche und manchmal auch amüsante Tipps zum Umgang mit Alzheimer.“
Ohne Gepäck oder Proviant, ohne Landkarte und Empfehlungen geriet Karin Bohr-Jankowski auf eine Reise in den Abgrund ihrer Seele. Depressionen hielten sie jahrelang gefangen. Ihr fehlte zeitweise die Kraft zum Leben, zum rationalen und rationellen Arbeiten, zum Alltagskampf.
„Ich kenne mich aus mit Depressionen. […] Ich habe das Büchlein, das nicht grösser ist als mein Lieblingsbuch „Der Kleine Prinz“, mehr als einmal gelesen und mich gefreut, dass ich nicht alleine bin mit meiner Krankheit. Ich habe sogar wieder eine Therapie angefangen. Vielen Dank, Karin. Schreib bitte weiter.“
Bedeutet Europa 2010 das Ende der Solidarität, fragten wir uns in den letzten Monaten. Warum haben wir Sie nicht gefragt? Ganz einfach: Wir haben Sie noch nicht erreicht.
Mit diesem Büchlein bitten wir Sie, sich selbst Ihre Meinung zu bilden. Nehmen Sie sich die Zeit zu lesen, was wir Ihnen gerne sagen würden.
„Dieses Büchlein gibt Hinweise, wie das Vertrauen des Bürgers in Europa wiedergewonnen werden kann.“
Und schon wieder hat die Autorin zugeschlagen: Wie schon im ersten Band ihrer Mooords-Geschichten unterhält sie uns mit spritzig-gruseligen Kurzgeschichten, in denen man nie weiss, wer einem sympathischer ist – die Täter oder ihre Opfer. Zum Lesen, aber auch zum Vorlesen, unbedingt!
©️ 2023 Alle Rechte vorbehalten.
Karin B. Jankowski
La Ruelle 4
70500 Bourbévelle
Frankreich
Alice hätte nie gedacht, dass ihr das Kind soviel Kraft geben würde. Statt müde, hoffnungslos und verzweifelt zu sein, schaffte sie es, jeden Tag mit neuen Ideen und frischem Schwung anzugehen. Sie war im siebten Monat, sah blendend aus und war stolz darauf, dass jetzt jeder sehen konnte, was mit ihr los war. Bisher hatte auch noch niemand eine blöde Bemerkung gemacht. Über ihr Alter. Oder über die Tatsache, nicht verheiratet zu sein. Immerhin lebte sie auf dem Land, und noch dazu in den Voralpen. Aber in Wahrheit waren die Leute hier offener als ihr Ruf. In Forca wussten die meisten, dass sie und Steven ein Paar waren. Man war diskret. Manchmal zu sehr. Aber in diesem Fall war es Alice nur recht. Der Arzt in Aix war der Einzige, der zuerst dumm geguckt hatte, als Alice angegeben hatte, Single zu sein. Es machte ihr nichts aus. Nach den Untersuchungen ging sie shoppen und kaufte sich lustige bunte Umstandskleider.
Sie war nie alleine. Baby war doch da, und Steven irgendwie auch. Meistens fühlte sie sich gut. Das mussten die Hormone sein.
In den ersten Monaten nach seinem Verschwinden hatte sie sich eingebildet, er sei auf Geschäftsreise. Eine seiner Sportreportagen. Irgendwo in der Welt. Sie war sich immer noch sicher, dass er lebte. Aber mittlerweile glaubte auch sie, dass etwas Schlimmes passiert sein musste. Ein Unfall? Ein Verbrechen? Sie hatten die Krankenhäuser in der Gegend bis nach Aix abtelefoniert. Ohne Ergebnis.
Aber dann, vor einer Woche, fanden Michel und Marie endlich eine Spur in Marseille. Und genau am selben Tag bekam Alice den Brief von Isa, der ihr Leben verändern sollte.
Es war der 25. November. Der erste Adventssonntag. Es hatte schon morgens angefangen zu schneien, zuerst fette nasse Flocken und dann immer kleinere, die vom aufkommenden Wind in meinem Hinterhof, gegenüber dem Cinquantenaire Park in Brüssel, wie mit einem Riesenkärcher in alle Himmelsrichtungen zerstäubt wurden.
Den ganzen Tag war es nicht hell geworden. Ein Tag zum Lesen und sich gemütlich mit einem heissen Tee, einem guten Buch und einer dicken Wolldecke im Sofa zu vergraben. Genau das hatte ich vor, nachdem ich meine Vorbereitungen für eine schwere Sitzung am nächsten Vormittag endlich abgeschlossen hatte. Es musste so gegen 16h gewesen sein, als jemand an meiner Haustüre den Gong auslöste. Wer konnte das bloss sein? Eingeladen hatte ich niemanden. Mein Berufsleben war damals so stressig, dass mir die Sonntage heilig waren. Die brauchte ich, um neue Energie für die Woche zu tanken. Und das ganz auf meine Art: Mal spazieren, mal ans Meer fahren, ja klar, auch mal rammeln, aber natürlich nicht mit jedem.
Also, wer sollte da vor der Tür stehen?
Während ich weiter rätselte, blitzte ein Gedanke auf, der mir sofort gefiel: Wo steht geschrieben, dass man seine Tür aufmachen muss, wenn es klingelt? Um so mehr ich darüber nachdachte, umso besser gefiel es mir, liegen zu bleiben. Ohne schlechtes Gewissen, ohne Scham. Aber der Gong ertönte immer wieder. Und dann wurde ich ganz plötzlich wütend. So wie man wütend werden kann, wenn man seine Wut zu lange unterdrückt. Kennen Sie das auch? Irgendwie schlimm, wenn diese reinigende, fast wohltuende, ganz persönliche Wut, dann in Sekundenschnelle ausser Kontrolle gerät. Dieses hemmungslose Gefühl, das schon fast nichts mehr mit dem Auslöser zu tun hat. Oder vielleicht doch?
Egal. Statt liegenzubleiben und den Eindringling, der es gewagt hatte, meine wohlverdiente Ruhe zu stören, unverrichteter Dinge ziehen zu lassen, stürzte ich zur Tür und riss sie mit voller Kraft fast aus den Angeln.
Aber ausser einem riesigen Blumengestrüpp aus Unmengen langstieliger roter Rosen und darunter zwei Beinen in braunen Hosen und schwarzen hochpolierten Lederschuhen konnte ich nichts erkennen. Als der Lieferant aber ein gutturales gurgelndes Lachen von sich gab, entstand das dazu passende Foto in meinem Kopf: Josef Wamokuzzi! Ein Kollege aus der Parlamentsfraktion.
„Josef?“
„Ja, natürlich. Da hab ich dich aber überrascht, oder?“
„Äh, ja, äh – wo kommst DU denn her?“
Offensichtlich stand ich unter Schock, sonst wäre mir was Intelligenteres eingefallen in diesem Moment. Aber leider war meine Wut verpufft und liess nur eine gähnende Leere in meinem Kopf. Ich war sprachlos. Und das passierte mir eigentlich höchst selten.
„Das kannst du nicht machen!“
„Und warum nicht?“
„Da fragst du noch? Hast du denn gar kein Gewissen?“
„Warum sollte ich? Nicht bei dem …“
„Was du vor hast, ist …“
Iris suchte verzweifelt nach Worten. Aber sie war zu schockiert über das, was er ihr gerade ins Ohr geflüstert hatte. Sie konnte nicht weiter neben ihm liegen bleiben, stand auf, streifte sich sein T-shirt über und zündete zwei Zigaretten an.
Nach dem ersten Lungenzug fiel ihr nichts besseres ein als:
„Es ist krank – einfach krank. Das gerät ausser Kontrolle. Und das weisst du ganz genau. Und deswegen sage ich es nochmal. Es ist krank, nein, du bist krank … Au, lass mich los, du tust mir weh. Ich hab gesagt, du sollst mich loslassen. Ich schreie … “
„Sag das nie wieder zu mir. Hast du gehört? Nie wieder!“
Iris wusste, wie er tickte und dass sie jetzt besser den Mund halten sollte. Aber recht hatte sie trotzdem. Es war krank. So was von … Nur, weil er seinem Onkel nach so viel Jahren den Garaus machen wollte, das Leben von so viel anderen, unschuldigen, Menschen mitzugefährden. Verrückt, einfach nur verrückt. Sie musste was tun. Sie kannte Antonio mittlerweile so gut, dass sie wusste, er würde nicht nur davon reden. Er würde es tun. Und auch nicht lange warten. Sobald sie wieder alleine wäre, würde sie seine Therapeutin anrufen. Die wüsste bestimmt, was zu tun wäre. Vielleicht wieder Tabletten? Im Notfall wieder in die Klinik?
„Was ist los, was schaust du so hinterhältig, du denkst an irgendwas? Wenn du die Polizei rufst, dann …“
Aber Iris liess ihn nicht ausreden. Sie drückte ihm ihre schmalen Lippen auf den Mund, nahm seine Hand und legte sie wieder auf ihre Brust. Das funktionierte eigentlich immer.
„Du willst mich nur ablenken. Ich kenn dich doch, meine liebe kleine Iris. Ich hab in 10 Jahren angewandter, hautnaher Therapie mehr gelernt als du in zwei Jahren theoretischer Psychologie … „
Er lachte sie an. Dieses breite hämische Lachen, das seine strahlendweissen Zähne immer bis aufs Zahnfleisch entblösste.
Aber er nahm sie trotzdem bei den Schultern, erwiderte inbrünstig ihren Kuss und zog sie wieder ins Bett. Aber jetzt wollte sie nicht mehr. Nicht, nachdem er sie so durchschaut hatte.
+ + +
Sie hatte ihn vor knapp einem Jahr im Supermarkt bei ihr um die Ecke entdeckt. Er fiel ihr sofort auf. Er sah einfach toll aus. Mittelgross, Dreitagebart, eine Brille wie Bertolt Brecht, lässige Jeans und Designerhemd, braungebrannt und dann das Interessanteste: Die Tattoos am Auge. Noch am selben Abend hatte sie sich schlau gemacht im Internet:
Hat jemand mehrere Tränen am Augenwinkel tätowiert, stehen sie für die von ihm begangenen Morde oder die Anzahl der Inhaftierungen. Eine einzelne Träne kann auch für die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen stehen und für die Absicht, diesen zu rächen – oder dafür, dass man schon zehn Jahre inhaftiert ist.
Daraus machte sie sich ein erstes Bild. Es beflügelte ihre Phantasie. Sie musste ihn unbedingt wiedersehen. Diesen männliche Geruch einatmen ; das war nicht nur Aftershave. Das waren Kraft und Mut. Muskeln wie Drahtseile. Und dann der Blick, der sie fast durchbohrt hätte. Vielleicht war es ja auch nicht so clever von ihr gewesen, sich die Sachen in seinem Einkaufswagen so genau anzuschauen. Diskret war echt anders. Aber es hatte sich gelohnt. Sage mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist … Oder so ähnlich geht doch der Spruch. Auf jeden Fall waren es wichtige Elemente, um ihr Bild zu vervollständigen. Und sie wusste heute noch genau, was im Korb lag: Eine Unmenge von dem selben tiefgefrorenen Fertiggericht (Hähnchen Curry), drei Flaschen roten Vacqueyras, sechs Flaschen Louis Roederer Brut, ein Sixpack dunkles Leffe, mindestens sechs Packungen Toilettenpapier und sechs Gläser von dieser sündhaft teuren Foie Gras aus dem Perigord.
„Stimmt was nicht, oder warum starren Sie so in meinen Einkaufswagen …“.
Er war blitzschnell neben ihr aufgetaucht. Dabei hatte sie doch so gut aufgepasst. Und gesehen, wie er sich ein Ticket am Käsestand gezogen hatte.
Sie kam sich vor wie ein kleines Kind, das gerade beim Naschen erwischt wurde. Und sicherlich war sie auch puterrot angelaufen. Sie spürte die Hitze bis in die Haarwurzeln.
Er blitzte sie wütend an mit diesen grünblauen Augen. Solche hatte sie ja noch gar nie gesehen. Und dazu dieses tolle abweisende Gehabe. Da wusste jemand sich zu verteidigen. Toll, was für ein Mann!
Sie stammelte sich ein triviales „Sorry, ich such‘ meinen Wagen …“, zusammen und verschluckte vor Aufregung den Rest. Als er schon längst kopfschüttelnd und irgendetwas Unhöfliches grummelnd an der Kasse stand, sagte sie mit Tränen in den Augen:
„Nichts für ungut. Ich wünsche Ihnen auch einen schönen Abend …“
+ + +
Er wusste heute noch nicht, warum er damals, als er das dritte, oder war es das vierte Mal, im Supermakt über sie gestolpert war, die Einladung auf einen Drink angenommen hatte.
Okay, sie sah ganz sexy aus. Hatte diesen schönen, nicht zuviel, nicht zu wenig Busen. Statt Jeans, wie fast alle in ihrem Alter, trug sie meist kurze farbenfrohe Röckchen und ein T-Shirt, das den Blick vorne auf den Bauchnabel frei liess und, sobald sie sich umdrehte, auf das Tattoo am Rücken. Den kleinen scharlachroten Skorpion, genau am untersten Ende ihrer kerzengeraden Wirbelsäule. Gerade so, als wolle er sich durch ihre Unterwäsche und zwischen die zwei drallen Pobacken zwängen.
Er hatte sofort so ein komisches Gefühl. Fand sie aufreizend. Vorwitzig. Indiskret. Aber trotzdem gefiel sie ihm. Er öffnete schliesslich nicht für jeden seinen Lieblingschampagner. Und schon gar nicht eine Foie Gras. Aber sie war so – ja was – sensationslüstern; genau, das war sie. Sensationslüstern. Und zwar auf alles: Alles zu essen, alles zu trinken, alles von ihm. Und bei der zweiten Flasche Champagner erzählte er ihr nicht nur, dass er sieben Jahre in der berühmt-berüchtigten Engelmann-Strasse in Strassburg abgesessen hatte. Sondern auch, warum: Seine schwere Kindheit. Sein Jähzorn. Seine gefährliche Linke. Ein Haken, und sein Gegenüber war platt. Nicht nur einmal. Und auch, dass er weder rassistisch noch sexistisch war. Er schlug halt nur gerne zu: ob schwarz, ob weiss, ob Mann oder Frau. Bei ihm hatten sie alle die selbe Chance!
Das Tolle war ja auch, dass diese Iris gar nicht schockiert war. Dieser Blick. Die himmelte ihn an, um so mehr er erzählte. Also gab er ihr weiter Stoff. Und damit bekam er sie sogar ins Bett. Die war richtig geil auf harte Typen. Er brauchte sich nicht zu schämen, geschweige denn zu verstellen, wie sonst bei Frauen; sogar denen, die er bezahlte. Egal!
Schlimm wurde es ja erst, als er ihr von seinem Onkel Claude, dem Arschloch, erzählte und was er mit ihm vorhatte. Das hätte ihm nicht passieren dürfen. So die Hosen runterzulassen und das Intimste seiner Welt preiszugeben: Nämlich, dass dieses Schwein von Claude seine Mutter vergewaltigt hatte. Er war wohl schon immer scharf auf sie gewesen und als papa damals mal wieder unterwegs war, wie so oft, hatte er sie … er konnte es heute noch nicht aussprechen. Warum war papa auch so oft weg? Staubsaugervertreter. Was für ein Scheissjob war das denn? Und maman, die hatte nichts gesagt. Erst auf dem Sterbebett. Und das Schlimmste für IHN war nicht einmal, dass Claude sie danach immer wieder vergewaltigt hatte. Das war schlimm für SIE. Nein, das Schlimmste für Antonio war, das ausgerechnet dieser Arsch sein leiblicher Vater war und er seine Gene geerbt hatte. Papa musste es irgendwann rausgefunden haben. Alles. Das war nun schon 10 Jahre her. Danach gab er sich den Strick. Aber damals hatte Antonio noch nix kapiert. Erst seit drei Monaten. Erst seit maman tot war. Dieser leere Blick. Diese schon immer toten Augen. Jetzt waren sie für immer zu. Heute wusste er endlich, warum alles so schlimm war. Und warum er so geworden war, wie er ist. Da nutzte auch all das viele Geld nicht, das Claude ihm schon vor Jahren überschrieben hatte. Dieser Scheisskerl. Dieses Stück Dreck.
Aber heute wusste er, was noch zu tun war. Ein letzter Liebesbeweis für seine Mutter, die ihm zu Lebzeiten keine Liebe geben konnte. Weil sie ja schon viel früher gestorben war. Nur hatte es damals niemand gemerkt.
+ + +
L’Est Republicain, 24. April 2020:
Schon wieder Corona-Tote in einem Pflegeheim! In der gestrigen Ausgabe berichteten wir von Sterbefällen in einem Seniorenheim in Mulhouse; und heute erfahren wir von dem bisher schwersten Corona-Fall im Elsass: In einem Seniorenheim in Strassburg sind 29 Personen in Verbindung mit dem Virus gestorben. Nach unseren Recherchen handelt es sich um 21 Heiminsassen, 3 Pfleger, 3 Krankenschwestern, einen Seelsorger und eine Person der Heimleitung. Es wird im Moment davon ausgegangen, dass der Virus von aussen in das Heim hineingetragen wurde.
Iris legte mit zitternden Händen die Tageszeitung aus der Hand und versuchte, ihre Beherrschung nicht ganz zu verlieren. Jetzt nur kein falsches Wort sagen. Und sie liess ihn reden.
„Was regst du dich denn auf? Es konnte überhaupt nichts schief gehen. Und die Kollateralschäden sind auch nicht schlimm. Es gibt bestimmt wieviel Alte, die hätten mir sogar noch Geld für Sterbehilfe gegeben. Schade, dass ich daran nicht früher gedacht habe …“.
Er versteckte noch nicht mal sein zynisches Lachen und bot ihr eiskalt eine Zigarette an.
„Du hast also …. ein Päckchen … mit Coronavirus infiziertem Inhalt … deinem Onkel ins Altenheim geschickt. Einfach so? 29 Menschen tot! Das sind zig Tote, die nichts mit deiner Familiengeschichte zu tun hatten. Du bist, du bist … ja, du bist wahnsinnig.“
Kaum war das Wort über ihre Lippen, spürte sie den brennenden Schmerz seiner mit voller Kraft geschmetterten Ohrfeige. Sie fiel sofort zu Boden. Ihr wurde schwarz vor Augen und sie schmeckte warmes Blut auf ihren Lippen und im Mund. Dann ging alles sehr schnell: Sie griff um sich, ohne genau zu sehen, wonach. Der erste feste Gegenstand, der ihr in die Finger kam, war der Schürhaken. Und damit schlug sie zu. Zuerst in alle Richtungen. Dann gezielt. Nicht einmal. Nein, sie schlug und schlug und schlug. Immer und immer wieder.
+ + +
L’Est Republicain, 11.7.2029
Iris Lemaire, die französiche Antwort auf Frida Kahlo:
Zum ersten Mal seit ihrer achtjährigen Gefängnisstrafe wird die Künstlerin Iris Lemaire heute anlässlich ihrer diesjährigen Vernissage „Bis auf den Grund der Dinge“ persönlich anwesend sein. Viele von Ihnen werden sich an das tragische Schicksal dieser Frau noch erinnern, die vor acht Jahren ihren Liebhaber auf brutalste Art erschlagen hatte. Danach nie wieder redete und während ihrer Gefängnisstrafe so ausdrucksstarke Bilder gemalt hat, die in kürzester Zeit internationale Anerkennung fanden. Schon ihre Anfangswerke wurden von Kunstexperten mit der Technik und Aussagekraft der mexikanischen Ausnahmekünstlerin Frida Kahlo verglichen. Bei beiden Frauen geht es hauptsächlich um den Kampf mit ihrem Leiden, dem körperlichen Schmerz, und bei Iris Lemaire ganz besonders dem seelischen. Im Unterschied zu Frida Kahlo hat sich Lemaire in den letzten Jahren nicht nur ihrer eigenen Geschichte, sondern der ihrer Mit-Arrestantinnen gewidmet.
Nach dem ersten Bilderzyklus „Abgründe“, der sie zu nationalem Ruf brachte, kam jedes Jahr ein Neuer hinzu. Ihre Werke werden am Kunstmarkt hoch gehandelt.
Vernissage 11.7.2029, 19h, Galerie du Marais, 21 Place des Vosges, 75003 Paris
+ + +
„Mademoiselle Lemaire, darf ich Ihnen eine indiskrete Frage stellen? Sie haben sich heute zum ersten Mal nach vielen Jahren in Worten ausgedrückt und nicht „nur“ in phantastischen Bildern. Ich darf sicherlich im Namen aller Anwesenden und auch meiner Journalistenkollegen sagen, wie sehr es uns gefreut hat, ihre persönlichen Ausführungen zu den Werken zu hören. Jedes ihrer Bilder spricht für sich und lässt tiefe Einblicke in die Seelen der Menschen zu. Sie führen uns nicht nur zur Tat, sondern auch zum Grund jedes einzelnen Gewaltverbrechens. Und obwohl doch immer ganz schreckliche Geschichten dahinter stehen, wie wir jetzt von Ihnen erfahren haben, benutzen Sie meistens kräftige, helle und, man kann fast sagen, positive Farben, statt, wie man vermuten könnte, dunkle, wie bei Francis Bacon und anderen. Bis auf ein Gemälde, das auch von der Geschichte gar nicht zu den anderen Werken von Ihnen zu passen scheint.
Ich meine das, das auf ihren ausdrücklichen Wunsch, wie ich von ihrer Agentin gehört habe, in jede ihrer Vernissagen in den letzten Jahren integriert wurde, aber unverkäuflich ist. Das ganz hinten in der Ecke. Das mit dem Titel:
29 auf einen Streich.
Das war doch kein Gewaltverbrechen… War das nicht Corona?“
„Warum aufstehen?“
Es gab Tage, an denen Alice das nicht konnte. Geschweige denn, bis zum Fenster gehen, die Läden aufmachen und das gleiβende Sonnenlicht der Provence zu sich hereinlassen. An solchen Tagen gingen ihr immer dieselben Fragen durch den Kopf, und wenn ihr keine Antwort einfiel, konnte die Lawine sie ganz schnell überrollen: „Warum sich bewegen? Warum atmen?“
Heute aber war alles gut; sie hatte ihren Grund aufzustehen. Nicht so wie die meisten Menschen um sie rum, die jeden Morgen aus den Federn kriechen, um ihr täglich Brot zu verdienen und vielleicht sogar noch mehr.
„Nicht jedem geht es so gut wie dir, und er kann von den Reserven leben“, bekam sie oft zu hören.
Wenn damit Geld gemeint war, musste sie den Leuten recht geben. Dank der groβzügigen Unterstützung ihres Freundes Claude Fuentes hätte sie die Möglichkeit, ein gutes Leben zu führen. Aber sonst – nein, sonst hatte sie keine Reserven. Nicht mehr!
„Soll ich zuerst aufstehen und den Laden aufmachen – die erste Mutprobe des Tages – oder mir überlegen, was ich anziehen soll? Anziehen, auch so eine Herausforderung; obwohl – im Sommer ist alles einfacher. Dann aber das Duschen, Zähneputzen, Frühstücken – nein, besser umgekehrt: Zuerst frühstücken, dann die Zähne putzen, oder? Verdammt – es ist wirklich nicht einfach, einen Tag anzufangen.“
Alice hielt gerne Selbstgespräche, und Dr. Noël meinte, das sei okay. Sogar, dass sie im Spiegel manchmal das kleine Kind sehen würde oder den Teenager. Und auch, dass die mit ihr sprächen … Angeblich kein Problem! Aber warum fiel ihr der Beginn des Tages immer noch so schwer? Warum lieβ sie sich von leidigen Kleinigkeiten einschüchtern? Das alles würde sie ihn heute fragen.
Sie strich sich gedankenverloren mit der Hand durch die kastanienbraunen Locken. Gut, dass sie wieder die Haare so kurz trug. Sonst wäre auch das Bürsten der verknoteten Nachthaare noch zu bewältigen. Genauso hatte sie ihre Haare auch als Kind getragen. Aber daran wollte sie jetzt auf keinen Fall denken. Viel wichtiger war doch die Entscheidung, was sie heute anziehen sollte.
Wenn sie zu Hause bleiben würde, könnte sie wie gestern rumlaufen – mit quasi nichts an. Bei über 30°C im Schatten lief sie am liebsten in den alten Leinennachthemden rum, die sie im Trödel kaufte. Aber heute musste sie nach Aix. Heute war Gruppentherapie bei Dr. Noël. Und da konnte sie nicht auftauchen, wie sie wollte, sondern so, wie man es von ihr erwartete.
Schon überschlugen sich wieder die Gefühle … aber dann fiel ihr ein, was sie anziehen könnte: das rote Kleid. Das kam am nächsten an „nichts anhaben“ ran und sah trotzdem nicht zu ausgezogen aus für die Gruppensitzung. Oder doch?
„Weiβt du eigentlich, dass man deine Brustspitzen sieht – in dem roten Wickelkleid?“, hatte eine Freundin sie vor vielen Jahren gefragt. Sie hatte es nicht gewusst und war fürchterlich erschrocken: Wieder was falsch gemacht! Und dann kam die Scham. Das war damals. Da hatte sie noch mehr Angst als heute. Warum musste sie ausgerechnet jetzt an diese Geschichte denken? Vielleicht wegen des BHs? Sie durfte heute auf keinen Fall vergessen, einen anzuziehen … Was für ein Aufwand!
Und dann die Strecke – 45 Minuten Autobahn. Obwohl …, die Landschaft war doch wirklich schön: der Fluss, die Berge, die Weinfelder. Aber dann das anstrengende Hin- und Hergerede mit den anderen. Obwohl …, die brachten einen auch schon mal zum Lachen. Und ohne die Therapie käme sie ja gar nicht mehr aus dem Haus; hätte auch nie so viele Leute kennengelernt. Auch wenn die alle ziemlich schräg waren.
„Obwohl …, was denken die erst über mich?“
Beim Anziehen kamen ihr Erinnerungen an die ersten Therapiestunden. Damals waren es noch Einzelgespräche. Nur sie und Dr. Noël. Trotzdem hatte sie immer Angst davor gehabt. Angst, irgendwas falsch zu machen, etwas von dem zu vergessen, was der Doktor ihr Relevantes gesagt oder was sie im Gespräch Wichtiges entdeckt hatte. Nach ihren 45 Minuten in der Rue du Temple wollte sie immer schnellstmöglich wegkommen; einfach nur um die nächste Straβenecke, sich dort hinhocken und alles notieren, bevor es wieder weg war: in denselben Nebel zurück wie die anderen Erinnerungen.
Irgendwann entdeckte sie ein paar Meter weiter das Bistro Chez Bruno, und nach einem Jahr hatte sie sogar den Mut, sich an den äuβersten Tisch der Terrasse zu setzen, einen Espresso zu bestellen und dann erst alles aufzuschreiben. Das war bequemer als auf einer Gartenmauer, und bei Bruno wurde sie auch nicht so blöd angeschaut.
An guten Tagen wusste sie, dass man ihr die Unsicherheit nicht ansah. Sie war groβ und schien auf den ersten Blick viel sportlicher, als sie eigentlich war. Auf einige wirkte sie arrogant, auf andere unnahbar. Das war okay für sie. Hauptsache, die Leute lieβen sie in Ruhe.
Heute haben wir Margaret und Coco in Forcalquier abgeholt.
Wir waren um 11 Uhr verabredet und sie waren auch fast fertig.
Aber sie waren nicht alleine:
Sie stellte uns Charles vor. Ihren Freund. Den habe sie in einem der Restos kennengelernt. Wann? Vor …? Vielleicht 1 bis 2 Wochen …? Der Mann, den sie Charles nannte, lächelte höflich und
nickte.
Charles sieht gut aus. Spricht mehrere Sprachen, so auch englisch. Er lebt in Forcalquier und reist viel in der Welt umher. Liebt Katzen und ist wohl so alt wie Margaret. Wir tauschen Telefonnummern aus und versprechen uns, in Verbindung zu bleiben.
Und dann verabschieden sich die beiden und wir verstehen, um was es ging. Das war eine schöne und tiefe Freundschaft, die die beiden aufgebaut hatten. Ich glaube sogar, dass es mehr
war. Auch wenn Margaret nicht mehr wusste, seit wann sie sich kannten.
Es war auf jeden Fall Lebensfreude pur.
So verabschieden sich Liebende
Üblicherweise dauern Reisen meist nur ein paar Tage oder Wochen. Depressionen können jahrelang dauern. Manchmal begibt man sich sogar auf eine solche Reise und weiß gar nicht, dass sie Depression heißt.
Und erst wenn man schon einige Zeit unterwegs ist, findet man selbst oder dank hilfsbereiter Menschen heraus, dass es sich um eine Depression handelt. Oft lehnt man dies ab: Ab, zu sagen, ja, es ist eine Depression. Ab, zu sagen, das ist meine Depression. Ab, zu sagen, ja, ich bin auf dieser Reise. Weil es viel schönere Reisen gibt. Aber gibt es auch interessantere? Ich habe heute beschlossen, über meine Reise zu schreiben.
Diese Weigerung, gemeinschaftliche Interessen als Richtschnur für nationales Handeln zu akzeptieren, ist der Hauptgrund dafür, dass das europäische Prinzip, und damit eine stärkere Rolle Europas in der Welt, noch nicht zum Tragen gekommen ist – jedenfalls noch nicht ausreichend.
Europas Bürger teilen nicht mehr das europäische Ideal, und das aus mehreren Gründen: Angst vor Identitätsverlust bei wachsender Globalisierung, der Aufstieg von neuen Grossmächten zu Lasten der Vorherrschaft des europäischen Modells, das Ende einer polarisierten Welt, in der die USA die Führung hatte und das Handeln aller anderen mitbestimmte, und zu wenig Anerkennung nationaler Werte in einem gemeinsamen Europa. Wie kann das Vertrauen des Bürgers in das gemeinsame Haus Europa als sichere Wohnstatt wiedergewonnen werden?
Das Haus von Itsche stand ideal für ihre Absichten im Leben. Nämlich, Menschen nicht nur zu beobachten, sondern zu kontrollieren, am liebsten jede Sekunde ihres Lebens. Und das, ohne gesehen zu werden. Wie das möglich sein konnte?
Ganz einfach. Das alte Haus, in dem sie alleine wohnte, nachdem ihr Mann ihr schon vor Jahren in die Ewigkeit vorangegangen war, lag am Ende einer Sackgasse. Nicht rechts und auch nicht links. Sondern am Kopfende. Und das Kopfende lag um einige Meter höher als alle anderen Häuser in derselben Strasse. Und die Fenster zur Strasse waren insgesamt sechs. 2 jeweils vom EG bis zum 2. Stock.
Itsche war enorm. Nicht einfach nur dick. Aber sie bewegte sich mit einer Eleganz, die an eine Schlittschuhläuferin in Zeitlupe erinnerte. Sie ging nicht über die Strasse, sie schwebte – oder eigentlich glitt sie einher. Langsam, bedächtig und vor allem geräuschlos. Aber bei genauerem Hinsehen konnte man erkennen, dass ihre kleinen blitzenden Kirschäuglein rasend schnell von rechts nach links huschten, in der Hoffnung ein „Opfer“ zu finden. Jemand, den sie zum Innehalten hätte überreden können. Jemand, den sie erbarmungslos mit ihren Geschichten hätte zuschütten können. Ob im Sommer bei über 30°C, oder im Winter bei minus 10°C. Und bei den dazwischen liegenden Temperaturen war es noch gefährlicher.
Ob ich was gegen Itsche habe? Wie kommen Sie darauf? Andere hatten Probleme mit ihr. Eigentlich alle in der Strasse. Sogar im ganzen Viertel und darüber hinaus. Sie hatte sozusagen einen Ruf … Keiner wollte sich mit ihr „abgeben“.
Und ich? Ich fand dieses Verhalten der anderen extrem ungerecht. Ich war nämlich immer bereit, für Minderheiten und Outlaws in die Bütt zu gehen. Also schlug ich mich aus Prinzip auf ihre Seite. Und was brachte es mir? Zuerst nur, dass ich bei all den anderen verschissen hatte. Obwohl mich niemand von denen kannte. Ich war doch selbst ein Fremder.
Wann es genau anfing, dass Itsche mich mit Liebesbeweisen der absurdesten Art heimsuchte, kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Erst harmloses Geplänkel, dann die Zeit der Hausmannskost. Und irgendwann stand sie im Hausflur und wollte Blumen giessen oder putzen helfen. Wie sie es geschafft hatte, sich einen Zweitschlüssel zu meiner Wohnung zu verschaffen, bleibt ebenso ein Rätsel, wie ihr Auftauchen, im wahrsten Sinne des Wortes, in MEINER randvoll mit Seifenschaum gefüllten Badewanne.
Zum ersten Mal, seit ich in diese Strasse gezogen war, fing ich an, die Nachbarn zu verstehen. Und es ist mir sehr wichtig zu sagen, dass ich schon oft umgezogen bin in meinem Leben. Nicht immer freiwillig. Und nicht immer an die schönsten Orte. Aber in dieser Strasse fühlte ich mich wohl. Hier wollte ich bleiben – wenn nicht für immer, dann doch einige Jahre. Bäume säumten die Bürgersteige und Rosen rankten an den bunten Hausfassaden. Sogar die Hundebesitzer waren respektvoll.
Nur Itsche nicht!
Und so wuchsen langsam, ganz langsam auch in mir der Wunsch und das unmögliche Verlangen: Itsche musste weg, egal wie …