Wie Ihr wisst, ist mein Hauptanliegen die Anprangerung des Missbrauchs in allen seinen Formen – und damit dessen Bekämpfung. Eines meiner Bücher handelt davon, und bald wird es eine Fortsetzung von „Das letzte Geheimnis“ geben. Aber ich will auch mit Euch ins Gespräch kommen, mich austauschen und noch dazu lernen. In meiner Wahlheimat Frankreich verfolgen mein Mann und ich täglich, wie es hier damit aussieht.
Und, es wird Euch nicht überraschen, das Ergebnis unserer Analysen ist niederschmetternd: Missbrauch von Kindern durch Eltern, von Frauen durch ihre Partner, von Lehrern und Priestern an ihren Schutzbefohlenen, von Sportler/innen durch ihre Trainer. Überall und täglich, und auch in Frankreich sind die Dunkelziffern enorm.
Heute schreibe ich über die ultimative Form des Missbrauchs: Die Tötung, oder sagen wirs doch direkt, die Ermordung des Opfers, jeden zweiten Tag eine. Das Motiv der Täter ist im Grunde immer dasselbe: Sie können nicht ertragen, dass Schluss ist: Dass ihre Partnerinnen die Schnauze voll haben, erniedrigt, geschlagen und vergewaltigt zu werden. Dagegen scheint es kein typisches Täterprofil zu geben. Gerade eben lese ich, dass ein 71jähriger zum zweiten Mal seiner Frau nach dem Leben getrachtet hat und gerade noch gefasst wurde.
Was sich aber wie ein roter Faden durch diese Fälle zieht ist, dass jeder Mord am Ende einer langen Geschichte steht, die sich schon seit langem abgezeichnet hat; und dass die Opfer vergeblich auf Hilfe von Polizei und Gerichten gehofft hatten – von ihren Familien, Freunden und Nachbarn ganz zu schweigen.
Zu theoretisch? Zu simpel? Nun, hier einige Beispiele nur aus den letzten Wochen in unserer Gegend:
Vesoul: Ein 65jähriger hatte 2015 (!) versucht, seine Frau mit einem Hocker zu erschlagen. Daraufhin kam er 1 ½ Jahre ins Gefängnis und wurde dann in Erwartung seines Prozesses (wegen Mordversuchs!) freigelassen. Auflage: Seine Ex-Frau endlich in Ruhe zu lassen. Nun wurde er wieder erwischt, als er versuchte, sich ihr wieder zu nähern.
Metz: Ein Mann wirft seine Frau aus dem Fenster, und schiesst dann auf der Strasse mehrmals auf sie. Er war bereits 2014 wegen Misshandlung dieser Frau verurteilt worden und hatte sie seitdem immer wieder verfolgt. Letzten August hatte sie ihn deswegen wiederum angezeigt: Verfahren eingestellt.
Region Vesoul/Marnay: Mathilde geht an die Presse und schreibt sogar der Regierung: Sie wird seit Jahren von ihrem Ex-Partner verfolgt, mit Vergewaltigung und Tod bedroht. 5 Anzeigen verlaufen im Sand. Der Staatsanwalt teilt mit, dass er nicht genügend Anhaltspunkte hätte, einzuschreiten, trotz medizinischer Gutachten und Videoaufnahmen der Anrufe (50 pro Tag!!) und Angriffe.
Irgendwo anders in Frankreich: Ein Mann schiesst mehrmals auf seine Frau, und als sie gelähmt auf der Strasse liegt, begiesst er sie mit Benzin und setzt sie in Brand. Auch hier: Ein langer Leidensweg ging voraus, ohne dass ihr wirklich geholfen wurde.
Andere aktuelle Fälle in Rouen und in Bastia: Erniedrigungen, Gewalt und schliesslich Mord – alles lange bekannt und vorhersehbar. Wie kann das sein??
MEIN Facit: Durch Erziehung, Aufklärung und Therapien muss geholfen werden:
Den Frauen, sich zu verteidigen, sich (und ihre Kinder) zu schützen und ihre gewalttätigen Partner endlich zu verlassen. Den Männern, zu verstehen und zu akzeptieren, dass ihre Frauen Liebe und Respekt verlangen, und, dass eine Beziehung auch mal zu Ende sein kann. In diese Richtung muss sich unsere Gesellschaft entwickeln, und es ist eine Schande, dass wir noch nicht so weit gekommen sind.
ABER, was wir sofort machen können und müssen, ist, von unserer Justiz zu verlangen, dass sie endlich den Frauen, und oft auch den Kindern, den so dringend nötigen Schutz gibt. Ist es denn so schwer, unsere Polizisten noch mehr zu sensibilisieren, dass sie dies auch tun?
Mathildes 5 Anzeigen wurden nicht weiter verfolgt; alle oben beschriebenen Fälle hatten ihre traurige Vorgeschichte. In Frankreich werden 80% solcher Anzeigen einfach zu den Akten gelegt. Sieht es in Deutschland besser aus? Habt ihr Zahlen? Beispiele? Vorschläge?
Ich danke Euch im voraus.
P.S. Gerade schlage ich unsere Zeitung auf: Zwei neue Fälle – und wiederum der grausige Höhepunkt zweier langer (und polizeibekannten) Leidenswege.