So, das wärs erst mal. Die US Soldaten und ihre Kollegen der NATO verlassen das Land. Seit 2001 waren sie dort, zeitweise 140.000, um eine stabile Regierung zu installieren, Werte, Demokratie und Wirtschaft nach westlichem Vorbild zu fördern und den Drogenhandel zu unterbinden. Ach ja, und das Wiederkommen der islamistischen Taliban zu verhindern.

Die Bilanz ist verheerend:

Eine korrupte Regierung folgte der anderen, mittlerweile vom Volk gefürchtet und verachtet. Deren blinde, fast bedingungslose Unterstützung durch den Westen, vor allem die USA, führte dazu, dass die Afghanen mittlerweile genauso schlecht über uns denken, wie über ihre eigenen korrupten Politiker, Beamten und Polizisten. Eine US-Studie schätzt, dass sich die derzeitige Regierung nur noch 6 Monate nach dem Abzug der NATO-Truppen halten wird (also Ende des Jahres?!). Soviel zur Schaffung einer stabilen Regierung und stabiler Verhältnisse.

Werte und Demokratie: Immerhin, es gibt mittlerweile politische Parteien, aber sehr viel haben sie nicht zu sagen. Für ein islamisches Land sind Frauen relativ gut im öffentlichen Leben vertreten. Doch auch hier verhindert die allgegenwärtige und „von oben“ gedeckte Korruption eine weitere Entwicklung. Nach Transparency International ist Afghanistan nach wie vor eines der korruptesten Länder der Welt, was auch Verwaltung und Justiz betrifft: Was haben wir während der 20 Jahre da getan, bzw. nicht getan?

Wirtschaft: Afghanistan hat enorme Bodenschätze (Mineralien), produziert hochwertige Landwirtschaftsprodukte (nicht lachen, zum Opium kommen wir noch) und hat seit 2001 zig Milliarden an Entwicklungshilfe bekommen. Und trotzdem ist es eines der ärmsten Länder der Welt geblieben. Wäre es denn so schwer gewesen, den Menschen in einem solchen Land mit „nur“ 38 Millionen Einwohnern auch nur einen bescheidenen Wohlstand zu verschaffen? Wo sind denn diese Milliarden geblieben, Herr Karzai und Familie? Hier empfehlen wir mal ein Buch: Es heisst „Thieves of State“ und wurde von einer Amerikanerin geschrieben (Sarah Chayes), die mehrere Jahre Beraterin für die US-Regierung in Afghanistan war und miterlebt hat, wie sich die Politiker und ihre Kumpel scham- und grenzenlos bereichert haben, mit Duldung des Westens. Das zu lesen macht richtig wütend.

Und Opium: Nach 20 Jahren, nennen wir es mal Mit-Herrschaft des Westens in Afghanistan, stammen 90% des Heroins der Welt (oder sind es „nur“ 80%, als ob es darauf ankäme) aus den Mohn-Anbaugebieten in – Afghanistan!!! Wie kann das sein? Laut Sarah Chayes geben die Opiumhändler (auch die, die in Regierung und Verwaltung sitzen) den Bauern einfach bessere Darlehen und höhere Preise. Hätte man da nicht mal die NATO-Truppen als „Erntehelfer“ einsetzen müssen? Und danach eine intelligente Wirtschaftspolitik?

Schliesslich, die Taliban: Erst mal, warum sind die immer noch und immer wieder da? Weil die Afghanen unverbesserliche Islamisten sind? Auch hier hat Frau Chayes eine Antwort: Weil das Volk die Schnauze voll davon hat, von korrupten, vom Ausland künstlich am Leben gehaltenen Systemen regiert zu werden. Schnauze voll von Korruption, Gesetzlosigkeit und Vetternwirtschaft. Und davon, dass immer wieder jemand anders ihnen sagt, wo es denn langgehen soll. Wusstet ihr, dass schon im 4. Jahrhundert VOR Christi Alexander der Grosse seinen Schwiegervater als Gouverneur des Hindukusch eingesetzt hat? Seitdem ging es immer so weiter, bis zu den Russen, und jetzt uns. Nun, die Taliban werden in Kürze das Land wieder übernommen haben, und dann mal sehen, ne? Sie versprechen den Afghanen eine saubere Regierung, und viel schlimmer kanns ja eigentlich nicht werden.

„Wir“ sind wenigstens mal raus; und freuen wir uns mit „unseren“ Soldatinnen und Soldaten, dass sie endlich wieder zuhause sind, da wo sie hingehören.

P.S. Wer die schöneren Seiten von Afghanistan und seinem faszinierenden Volk kennenlernen will, dem empfehlen wir noch ein Buch: „Buskaschi oder der Teppich meiner Mutter“, einen Roman von Massum Faryar. Lasst uns seine Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen. So ganz unschuldig an ihrem Schicksal sind wir nicht.

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